Update Kaptitalmarktrecht: Neues zur virtuellen Hauptversammlung
Update Kaptitalmarktrecht: Neues zur virtuellen Hauptversammlung
Die erste Saison virtueller Hauptversammlungen ist vorüber und die nächste steht aufgrund der weiterhin andauernden COVID-19-Pandemie unmittelbar bevor. Dies hat der Gesetzgeber zum Anlass genommen, sein zu Beginn der COVID-19-Pandemie geschaffenes Instrumentarium nicht nur bis zum 31. Dezember 2021 zu verlängern, sondern überraschend auch noch einmal anzupassen. Es besteht daher akuter Handlungsbedarf für die kommende HV-Saison.
Weil Gesellschaften aufgrund der COVID-19-Pandemie ihre Hauptversammlungen nicht wie gewohnt durchführen konnten, hatte auch der deutsche Gesetzgeber im Frühjahr mit der Einführung der virtuellen Hauptversammlung Abhilfe geschaffen. Um die rechtssichere Durchführung zu gewährleisten, wurden das Antrags- und das Fragerecht abgeschafft. Das traf zwar bei den Emittenten auf breite Zustimmung, blieb aber auf Seiten der Aktionärsvertreter nicht ohne Kritik. Es wurden sogar verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Der Gesetzgeber hat diese Kritik aufgenommen und die Vorgaben im Sinne der Stärkung der Aktionärsrechte noch einmal nachjustiert. Wir erläutern in diesem Client Alert, worum es genau geht.
Bislang musste den Aktionären nur eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt werden. Das bedeutete, dass zwar Fragen gestellt werden konnten, der Vorstand diese aber nicht beantworten musste. Es lag in seinem Ermessen, ob und wie er Fragen beantwortet. Hinzu kam, dass Fragen nicht während der HV gestellt werden konnten, womit auch die Möglichkeit von Nachfragen abgeschnitten war. Fragen mussten vielmehr spätestens zwei Tage vor der Hauptversammlung an die Gesellschaft übermittelt werden.
Nach neuer Vorgabe besteht nun ein Fragerecht. Aktionäre haben damit einen Anspruch auf Antwort. Allerdings liegt es weiterhin im Ermessen des Vorstands, wie er die Fragen beantwortet. Daher kann der Vorstand Fragen zusammenfassen und gemeinsam beantworten. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass trotz der gestärkten Rechtsposition der Aktionäre die tatsächliche Umsetzung des Fragerechts für die Unternehmen handhabbar bleibt. Die Hauptversammlung soll nicht durch eine Flut online gestellter Fragen überfordert und dadurch beschlussunfähig werden, dass die Fragenbeantwortung so viel Zeit in Anspruch nimmt und die Hauptversammlung nicht mehr am selben Tag beendet werden kann.
Darüber hinaus wurde die Frist zur Frageneinreichung um einen Tag verlängert. Fragen können nun bis einen Tag vor der Hauptversammlung eingereicht werden.
Ein Recht auf Nachfrage in der Hauptversammlung sieht der Wortlaut des Gesetzes weiterhin nicht vor, obwohl gerade dies in der Diskussion war und von Aktionärsvertretern lautstark gefordert wurde, nachdem in der letzten HV-Saison wohl nur zwei Emittenten die Möglichkeit, Fragen in der Hauptversammlung zu stellen, zugelassen haben.
Allerdings findet sich in den Gesetzesmaterialien ein vereinzelter Hinweis darauf, dass mit der Neuregelung gerade auch die Möglichkeit der Nachfrage eingeführt werden sollte. Diese Äußerungen haben bereits zu Diskussionen geführt, ob nicht doch eine Pflicht bestehen könnte, Nachfragen zu ermöglichen. Gegen eine solche Möglichkeit spricht jedoch der Wortlaut des Gesetzes. Darüber hinaus würde die Nachfrage nur in der Hauptversammlung möglich sein, was nur bei (elektronischer) Teilnahme möglich wäre. Eine Einrichtung einer Teilnahme ist im Gesetz jedoch nur als Option vorgesehen, nicht als Pflicht. Somit kann die Nachfragemöglichkeit kein Pflichtelement einer virtuellen Hauptversammlung sein, da man sonst von einer Pflicht zur Ermöglichung der elektronischen Teilnahme sprechen müsste.
Mit Einführung eines Fragerechts stellt sich die Frage nach Anfechtungsmöglichkeiten. Aktionäre könnten behaupten, dass ein Beschluss aufgrund fehlender oder fehlerhafter Antworten zustande gekommen ist.
Allerdings wurden die verschärften Anforderungen an eine Anfechtung vom Gesetzgeber nicht geändert, so dass eine Anfechtung weiterhin nur dann in Betracht kommt, wenn der Gesellschaft eine vorsätzliche Falschbeantwortung nachgewiesen werden kann.
Weiterhin problematisch ist die Berechnung der Tagesfrist zur Einreichung von Fragen. Im Aktienrecht ist die Berechnung von Tagesfristen nicht geregelt. Trotz dieser – bekannten – Problematik hat der Gesetzgeber auf eine Klarstellung verzichtet. Unter Rückgriff auf allgemeine Regelungen zu Fristberechnungen sollte zwischen Einreichungsschluss und dem Tag der Hauptversammlung ein Kalendertag liegen. Findet eine Hauptversammlung bspw. am 17. Mai statt, dann endet die Möglichkeit zur Frageneinreichung am 16. Mai um 00:00 Uhr.
Bei vorsichtiger Betrachtung würde die Frist zur Frageneinreichung allerdings genau 24 Stunden vor Beginn der Hauptversammlung enden, d.h. ist eine Hauptversammlung für den 17. Mai um 10:00 Uhr einberufen worden, würde die Frist am 16. Mai um 10:00 Uhr enden.
Künftig gelten Anträge oder Wahlvorschläge von Aktionären, die so fristgerecht eingereicht wurden, dass sie nach § 126 oder § 127 AktG zu veröffentlichen sind, als in der Versammlung gestellt (gesetzliche Fiktion). Dies gilt allerdings nur, wenn der Antragsteller ordnungsgemäß legitimiert und zur Hauptversammlung angemeldet ist. Damit korrigiert der Gesetzgeber eine geradezu widersinnige Regelung, bei der Gegenanträge zwar veröffentlicht werden mussten, diese aber in der Hauptversammlung ignoriert werden konnten.
Die neuen Vorgaben treten am 28. Februar 2021 in Kraft. Aktiengesellschaften, deren Hauptversammlungen nach dem 27. Februar 2021 stattfinden, müssen die Neuerungen daher bereits bei der Vorbereitung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen.
Dieses Dokument dient nur der Information und stellt keine Rechtsberatung dar. Morrison & Foerster haftet nicht für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Textes.