Erstattungsansprüche für Arbeitgeber nach dem Infektionsschutzgesetz
Erstattungsansprüche für Arbeitgeber nach dem Infektionsschutzgesetz
In Zeiten der Corona-Krise und damit zusammenhängenden behördlichen Anordnungen zur Quarantäne und von Betriebsschließungen stellt sich für viele Unternehmen die Frage nach Entschädigungsansprüchen. Diese Frage hat zusätzliche Aktualität erfahren, da die Entschädigungsregelungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) in dieser Woche ergänzt wurden.
Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber nach dem Infektionsschutzgesetz nur dann ein Erstattungsanspruch gegen die Behörde zu, wenn er für die Behörde einen Entschädigungsanspruch an seine Arbeitnehmer auszahlt, weil ihn selbst keine Zahlungsverpflichtung gegenüber den Arbeitnehmern trifft.
Die wesentlichen Fallgruppen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das IfSG dient den Behörden in den Zeiten der Corona-Krise als Rechtsgrundlage für die Anordnung von Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Verbreitung des Corona-Virus (§ 28ff IfSG). Darunter fallen Anordnungen der häuslichen Quarantäne bei Verdachtspersonen oder bereits infizierten Personen. Darüber hinaus haben die einzelnen Bundesländer gemäß § 32 IfSG Allgemeinverfügungen und Verordnungen erlassen, die weitreichende Gebote und Verbote zur Bekämpfung der weiteren Verbreitung vorsehen. Unter anderem wurden Kindergärten, Schulen und andere Betreuungseinrichtungen geschlossen. Ebenfalls dürfen Einzelhandelsgeschäfte, die keine Waren des täglichen Bedarfs anbieten, zunächst nicht mehr öffnen.
Das IfSG sieht in § 56 Entschädigungsansprüche vor, wenn Personen aufgrund behördlicher Maßnahmen einen Verdienstausfall erleiden. Ein solcher Verdienstausfall liegt bei Arbeitnehmern vor, wenn keine anderen vertraglichen oder gesetzlichen Ansprüche auf Vergütungszahlung bestehen. Steht Arbeitnehmern nach dem IfSG eine Entschädigung zu, hat der Arbeitgeber diese für sechs Wochen für die Behörde an die Arbeitnehmer auszuzahlen. Er hat die entsprechenden Zahlungen somit abzurechnen und vorzustrecken, und kann nachträglich eine Erstattung der geleisteten Zahlungen beantragen (§ 56 Abs. 5 IfSG).
Im Folgenden stellen wir überblicksmäßig dar, wann dem Arbeitnehmer Entschädigungsansprüche zustehen und der Arbeitgeber somit eine Erstattung beantragen kann - und wann nicht:
Ist ein Arbeitnehmer erkrankt und arbeitsunfähig, gelten die üblichen Regelungen für die Arbeitsunfähigkeit. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz ist der Arbeitgeber verpflichtet, für die ersten sechs Wochen Entgeltfortzahlung zu leisten. Da den Arbeitnehmer insoweit kein Verdienstausfall trifft, besteht auch kein Entschädigungs- bzw. Erstattungsanspruch nach dem IfSG.
Muss sich ein Arbeitnehmer aufgrund behördlicher Anordnung in Quarantäne begeben und kann daher nicht arbeiten, ist er, in der Regel unverschuldet, aus „persönlichen Gründen“ an der Arbeitsleistung gehindert. Diese Fälle deckt grundsätzlich § 616 BGB ab. Abweichend vom Grundsatz, dass Vergütung nur gegen Arbeit gezahlt wird, behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch, wenn er durch einen in seiner Person liegenden Grund unverschuldet an der Arbeitsleistung gehindert ist. Dies gilt jedoch nur für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“. Der Bundesgerichtshof hat dazu geurteilt, dass im Falle behördlicher Maßnahmen zur Vermeidung der Verbreitung von Krankheiten eine Zeit von sechs Wochen noch als nicht erhebliche Zeit gilt. Er orientierte sich dabei am ebenfalls sechs Wochen umfassenden Entgeltfortzahlungszeitraum im Falle der Arbeitsunfähigkeit. Die entsprechende Entscheidung stammt indes aus dem Jahr 1978 und behandelte nur einen Einzelfall und keine flächendeckende Pandemie. Ob die Behörden auch im Zuge der derzeitigen Corona-Krise einen ähnlich restriktiven Ansatz wählen, ist ungewiss. Wir empfehlen daher, die weitere Entwicklung genau zu beobachten und gegebenenfalls auch in dieser Situation einen Erstattungsantrag zu prüfen.
In vielen Arbeitsverträgen und Tarifverträgen ist § 616 BGB indes ausgeschlossen. Arbeitnehmer haben dann im Falle der Quarantäneanordnung keinen Anspruch auf Vergütung gegen ihren Arbeitgeber. Sie erleiden damit einen Verdienstausfall. In diesem Fall greift § 56 IfSG und der Arbeitnehmer erhält einen Entschädigungsanspruch in Höhe seiner regulären Vergütung. Dieser Anspruch richtet sich für die ersten sechs Wochen direkt gegen den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber kann anschließend die Erstattung der gezahlten Vergütung beantragen.
Nach Ablauf der sechs Wochen richtet sich der Anspruch des Arbeitnehmers direkt gegen die staatlichen Behörden. Die Höhe der Entschädigungszahlung entspricht dann der Höhe des Krankengelds.
Neu ist eine Entschädigungsregelung für den Fall der Kinderbetreuung. Im Zuge der Corona-Krise hat der Gesetzgeber diese Woche § 56 IfSG ergänzt. Danach haben Sorgeberechtigte Anspruch auf Entschädigungszahlungen, wenn
Zumutbare Betreuungsmöglichkeiten bestehen beispielsweise, wenn ein Anspruch auf eine Notbetreuung in der Betreuungseinrichtung besteht, auf den anderen Elternteil zurückgegriffen werden kann oder andere hierzu bereite Familienmitglieder/Verwandte die Betreuung wahrnehmen können. Soweit Personen zur Risikogruppe zählen (bspw. die Großeltern aufgrund des Alters), gelten diese nicht als zumutbare Betreuungsmöglichkeit. Eine Entschädigung kann für maximal sechs Wochen gewährt werden, allerdings nicht für den Zeitraum der Schulferien.
Ein Entschädigungsanspruch besteht auch hier nur, soweit ein Verdienstausfall eintritt. Ist der Arbeitgeber nach § 616 BGB verpflichtet, für 5 Werktage die Vergütung fortzuzahlen, entsteht kein Verdienstausfall. Weiterhin hat der Arbeitnehmer zunächst Überstunden abzubauen.
Bei Arbeitnehmern richtet sich der Zahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber, der dann nachträglich die Erstattung beantragen kann. Die Höhe der Entschädigung beträgt 67% der vorherigen Nettovergütung und ist gedeckelt auf maximal EUR 2.016,00 netto monatlich.
Diese Regelung tritt am 30. März 2020 in Kraft und gilt bis zum 31. Dezember 2020.
Das IfSG sieht keine Entschädigungszahlungen an Arbeitgeber oder Unternehmen vor, die kraft genereller behördlicher Anordnung ihr Unternehmen oder Geschäft schließen müssen. Soweit § 65 IfSG eine Entschädigung für behördliche Maßnahmen gewährt, bezieht sich dies allein auf behördliche Einzelmaßnahmen. Eine Entschädigungsleistung für Einbußen aufgrund der Allgemeinverfügungen kann daraus nicht abgeleitet werden. Im Zuge der aktuellen Debatte, in der auch das IfSG angepasst wurde, hat sich der Bundestag nicht für eine zusätzliche Entschädigungsregelung in diesen Fällen entschieden. Die Politik verweist die Unternehmen auf die zahlreichen Wirtschaftshilfen, die zurzeit geplant oder bereits umgesetzt werden. Damit entfällt aus unserer Sicht auch eine analoge Anwendung des § 65 IfSG.
Auch für Arbeitnehmer, die nach dem IfSG Entschädigungszahlungen erhalten, bleibt die Sozialversicherungspflicht bestehen. Die abzuführenden Beträge werden dem Arbeitgeber ebenfalls in voller Höhe erstattet. Zu beachten ist, dass die Bemessungsgrundlage für die Beiträge bei einer Entschädigung aufgrund einer notwendigen Kinderbetreuung nicht das volle vorherige Arbeitsentgelt, sondern nur 80% des vorherigen Arbeitsentgelts ist.
Für den Arbeitnehmer sind die Entschädigungszahlungen nach dem IfSG steuerfrei, § 3 Nr. 25 EStG. Ein Lohnsteuerabzug ist insofern folglich nicht vorzunehmen. Als steuerfreie Lohnersatzleistungen unterliegen die Entschädigungszahlungen allerdings dem sogenannten „Progressionsvorbehalt“ nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. e) EStG. Die Zahlungen erhöhen damit effektiv den persönlichen Einkommensteuersatz, mit dem die übrigen (steuerpflichtigen) Einkünfte des betreffenden Arbeitnehmers versteuert werden. Der Arbeitgeber ist gemäß § 41b Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG verpflichtet, die Entschädigungszahlungen in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung auszuweisen. Die Vornahme des Lohnsteuer-Jahresausgleichs ist in diesen Fällen nach § 42b Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG jedoch ausgeschlossen. Dem Arbeitgeber ist es damit verwehrt, dem Arbeitnehmer etwaige im Verlauf des Kalenderjahres zu viel einbehaltene Lohnsteuern zu erstatten. Eine entsprechende Erstattung kommt effektiv nur im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers in Betracht und setzt die Abgabe einer entsprechenden Einkommensteuererklärung voraus.